De Facto Immunität für Richter: Neues Justizgesetz gibt Justiz mehr Macht

Das Justizgesetz wird erneuert (sh.ch/Teilrevision-des-Justizgesetzes).

Diese Gesetzesänderung soll natürlich nicht vom Bürger vorgenommen werden und er soll auch nicht darüber abstimmen dürfen: Zu diesem Zweck – damit der Bürger nicht verwirrt wird – wird die Gesetzesänderung pünktlich zu den Sommerferien, mitten in der Fussballeuropameisterschaft sowie den weltweiten Olympischen Spielen, behandelt.

Diese Gesetzesänderung wurde von Peter Sticher (Erster Staatsanwalt), Susanne Bollinger (Oberrichterin) sowie Dino Tamagni (Regierungsratspräsident) angestossen – im Gesetz soll folgendes geändert werden:

Änderungen im Justizgesetz Justizgesetz SHR 173.200

  • 👎🏻 Die Mitlieder der Kommission werden nicht mehr gewählt. Absatz wird aufgehoben (Art. 56 Abs. 2 SHR 173.200).
  • 👎🏻 Gewählte Justizmitarbeiter (z.B. Richter, Staatsanwälte etc.) können nicht mehr direkt angezeigt werden, da neuerdings die Erlaubnis des Obergerichts zur Durchführung eines Strafverfahrens benötigt wird (ausgenommen sind Widerhandlungen im Strassenverkehr). Damit geniessen die Richter und Staatsanwälte in Schaffhausen von nun an de facto Immunität: Wenn ein Richter z.B. jemanden auspeitscht oder die Steuern nicht bezahlt, dann braucht man eine Erlaubnis seiner Kollegen, um gegen ihn ein Strafverfahren zu führen. Selbiges gilt für Staatsanwälte, denn nur auf Antrag ihrer Kollegen kann eine Ermächtigung vom Obergericht erteilt werden. Das Obergericht soll letztinstanzlich entscheiden. (Art. 73 Abs. 4 Justizgesetz SHR 173.200).
  • 👎🏻 Assistenzstaatsanwälte sollen zukünftig auch Strafbefehle erlassen können, obwohl sie nicht die Bedingungen zum Staatsanwalt erfüllen. Sie können zwar keine Freiheitsstrafen direkt anordnen, jedoch Geldstrafen (Tagessätze), die sich bei (schuldhafter?) Nichtbezahlung in Freiheitsstrafen umwandeln (Art. 25bis Justizgesetz SHR 173.200).
  • 👎🏻 Staatsanwälte werden nicht mehr vom Kantonsrat gewählt (Art. 2 Abs. 1 lit. d & Art. 16 Abs. 2 und Abs. 5 Justizgesetz SHR 173.200).
  • 👎🏻 Staatsanwälte und Richter können nicht mehr vom Kantonsrat gefeuert/abgewählt werden (Art. 2 Abs. 1 lit. d Justizgesetz SHR 173.200).
  • 👎🏻 Die Wahlvorbereitungskomission kann selbst Mitglieder des Obergerichts und der Rechtspflegekommission für die Justizverwaltung ernennen (Art. 2 Abs. 3 Justizgesetz SHR 173.200).
  • Die Staatsanwaltschaft kann nun offiziell der Polizei Zeugeneinvernahmen und sonstige Einvernahmen abgeben und diese beauftragen. (Art. 75 Abs. 1bis Justizgesetz SHR 173.200).

    Die Polizei ist jedoch überbelastet und klagt seit Jahren, dass sie zu wenig Polizisten hätten.
    Darüber wird sich sicher Polizei-Gewerkschafter Patrick Portmann freuen: “Seit bald zwei Jahren weise die Polizeigewerkschaft laut Portmann darauf hin, dass die Staatsanwaltschaft Arbeiten im Bereich Einvernahmen an die Polizei abschiebe. Passiert sei trotzdem nichts.” (Blick) – jetzt ist endlich was passiert.
  • 👎🏻 Die KESB erhält weitere Kompetenzen und mehr Macht z.B. kann sie neu direkt erben und muss keinen Antrag zur Aufnahme eines Erbschaftsinventars gemäss Art. 553 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB stellen oder kann ein verbeiständetes und bevormundetes Kind selbst zur Adoption freigeben (Art. 57d Abs. 1 Justizgesetz SHR 173.200).
  • 👎🏻 Anwälte können neu ebenfalls mit Verfahrenskosten zugedeckt werden, auch wenn diese eine Beschwerde nur führen und nicht einreichen (Art. 7 Abs. 4 Justizgesetz SHR 173.200).
  • 👎🏻 Der Kantonsrat kann nur noch in Empfehlung des Obergerichts Friedensrichter einstellen, vorher konnte das der Kantonsrat selbständig: Heute muss er den Empfehlungen des Obergerichts Folge leisten (Art. 9 Abs. 2 und Abs. 3 Justizgesetz SHR 173.200).
  • 👍🏻 Verkehrsabteilung soll auch für Schiffsverkehr zuständig sein (Art. 18 Abs. 3 Justizgesetz SHR 173.200).
  • 👎🏻 Früher konnte jede Partei verlangen, dass die Rechtsmittel in summarischen Verfahren von einer Kammer, statt nur von einem Einzelrichter behandelt wird: Neu kann das nur der Einzelrichter selbst beantragen (Art. 40 Abs. 2 Justizgesetz SHR 173.200).
  • 👍🏻 Neu können Einzelrichter auch bei Streitigkeiten bis 10’000 CHF alleine entscheiden (früher 5’000 CHF) und erhalten die Ermächtigung, die Ermächtigung zur Durchführung eines Strafverfahrens zu entscheiden (Art. 43 Abs. 2 und Abs. 2bis Justizgesetz SHR 173.200).
  • 👎🏻 Obergericht wird in Fällen von Art. 439 ZGB zur zweiten Instanz. Neu kann nicht mehr von jeder Partei eine Kammer verlangt werden, sondern nur vom Einzelrichter selbst (Art. 41 Abs. 1 und Abs. 2).
  • 👍🏻 Neu können Einzelrichter in Konkursverfahren bis zu 10’000 CHF selbständig entscheiden (früher bis zu 5’000 CHF) und können auch eine Kammer beantragen (Art. 49 Abs. 2 und Abs. 2bis).
  • 👎🏻 Neu werden Ausstandsgesuche komplett anders behandelt: Früher konnte nur der Obergerichts-Präsident alle Ausstandsgesuche behandeln, neu können auch Einzelrichter darüber entscheiden, jedoch wurden ihre Kompetenzen beschränkt: z.B. können Ausstandsgesuche von Staatsanwälten nur in Berufungen angebracht werden (Art. 50 Justizgesetz SHR 173.200).
  • 👍🏻 Definitionsverbesserung. Früher wurden die “Säumnisse” aufgelistet, neu werden sie das nicht mehr (Art. 53 Abs. 2 Justizgesetz SHR 173.200).
  • 👍🏻 Definitionsverbesserung. Früher war es nicht ganz klar, wann ein Gerichtsschreiber eine prozesserledigende/-leitende Verfügung erlassen kann (Art. 54 Abs. 2 Justizgesetz SHR 173.200).
  • 👍🏻 Neu müssen auch Bezirksärzte (statt wie bisher nur Amtsärzte) aussergewöhnliche Todesfälle der Polizei melden (Art. 71 Justizgesetz SHR 173.200).

Es wurden nicht alle Gesetzesänderungen im Detail angesehen, da es viel zu viele sind – die vollständige Liste findet sich hier: https://sh.ch/CMS/get/file/f663ab14-a3d6-4118-85aa-b04a696e9ee3

2 thoughts on “De Facto Immunität für Richter: Neues Justizgesetz gibt Justiz mehr Macht”
    1. Es scheint, Sie haben keine Ahnung von Rechtsstaatlichkeit oder glauben, Sie seien immun gegen die entfesselte Staatsmacht, die tun und lassen kann, was sie will.

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