Juli 2024: Peter Sticher, Erster Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen “verbietet” den Einsatz der Sarco-Kapsel
September 2024: Die Sarco-Kapsel wird nach juristischen Abklärungen trotzdem eingesetzt. Die Beteiligten werden festgenommen und verbleiben längere Zeit in Untersuchungshaft
Mai 2025: Der Betreiber der Sarco-Kapsel nimmt sich das Leben
Was ist passiert?
Zunächst einmal gehen wir auf den Diskurs zur Sterbekapsel im Sommer 2024 ein: Die Staatsanwaltschaft hat nicht offiziell daran teilgenommen, sondern interne Dokumente wurden veröffentlicht, in denen der Erste Staatsanwalt Peter Sticher Konsequenzen androhte, sollte die Kapsel im Kanton Schaffhausen zum Einsatz kommen. Eine ungewöhnliche Strategie, ist das System doch eigentlich ganz simpel: Es gibt Gesetze und Rechtsprechung: Verstösst man dagegen, macht man sich strafbar; verstösst man nicht dagegen, dann nicht. In keinem gewöhnlichen Szenario wird man vom ersten Staatsanwalt vorgängig davor gewarnt, sich strafbar zu machen, dass es bei Straftaten juristische Konsequenzen gibt ist selbsterklärend. Bei der Staatsanwaltschaft handelt es sich um eine Strafverfolgungsbehörde, die bereits geschehene Straftaten verfolgt, nicht um eine Rechtsberatung, die vor drohenden warnt, erst recht nicht ungefragt, und ohnehin ist der Erste Staatsanwalt Peter Sticher in keiner Position, Vorhaben egal welcher Art zu “verbieten”: Entweder sind die bereits von Gesetzes wegen verboten oder sie sind erlaubt. Warum also hat die Staatsanwaltschaft diesen Weg gewählt?
Das mag daran liegen, dass keine zwei Monate vorher der Fall “Fabienne W.” publik wurde, der ein riesiges Medieninteresse, v.a. aber Kritik, Demonstrationen und sogar Rücktrittsforderungen gegenüber den Schaffhauser Behörden, u.a. gegenüber Peter Sticher selbst, hervorgerufen hat. Der erbarmungslose Blick der Schweiz auf die Schaffhauser Praxis – die nicht immer mit dem Gesetz oder der anerkannten juristischen Praxis konform geht – hat Peter Sticher evtl. nachhaltig verstört, so dass er den nächsten Skandal – den Einsatz einer suizidassistierenden Todeskapsel, der selbstredend die Gemüter erhitzen würde – im Keim ersticken wollte. Also “verbot” er es, obwohl die Rechtsfragen seiner eigenen Angabe nach – von ihm – noch nicht geklärt waren.
Die Sarco-Verantwortlichen haben die juristischen Abklärungen offensichtlich – wie es jeder vernünftige Mensch tun würde – selbst vorgenommen und sind zum Schluss gekommen, dass der Einsatz legal ist. Daher wurde die Kapsel im September 2024 in Merishausen erstmals eingesetzt. Mit Zeugen, anwesenden Anwälten, Kamera. Es dauerte nicht lange und die Polizei Schaffhausen war vor Ort – und verhaftete die Beteiligten.
Man könnte nun natürlich denken: Peter Sticher hat doch davor gewarnt, selbst schuld, anscheinend war es doch nicht legal. Wären die Vorwürfe tatsächlich nur der Einsatz der Kapsel gewesen. Waren sie aber nicht. Vielmehr ist vermutlich auch die Staatsanwaltschaft Schaffhausen zum Schluss gekommen, dass diese legal war, gibt es doch bereits zahlreiche Fälle von Sterbehilfe in der Schweiz. Aber Peter Sticher hatte den Einsatz verboten. Nun war der Vorwurf aber: Der Grüder Florian Willet habe die in der Kapsel gestorbene Amerikanerin erwürgt. Vor Zeugen, Anwälten – die allesamt nichts derartiges bestätigen -, Kameras, neben einer Kapsel, die mit Stickstoff tötet. Ohne DNA-Spuren zu hinterlassen. Grund waren angebliche Verletzungen im Nackenbereich der Amerikanerin, die allerdings nur in einem Dokument der Schaffhauser Staatsanwaltschaft festgehalten wurden, nicht in einem Autopsiebericht. Genug für das Kantonsgericht
Und Florian Willet wurde festgenommen. Und in Untersuchungshaft in Schaffhausen genommen. Und 10 Wochen festgehalten. Und seinem Anwalt wurde der Zugang zu den Akten verweigert, wodurch eine Verteidigung praktisch unmöglich ist. Und nun ist er tot.
Zwischenzeitlich kam die Staatsanwaltschaft zum selben Schluss wie alle anwesenden Zeugen, Anwälte, Kameras und schliesslich auch der Autopsiebericht. Dass die Amerikanerin in der Kapsel durch den Stickstoff starb und nicht absurderweise neben einer nicht funktionierenden Kapsel vor zahlreichen Zeugen ohne DNA-Spuren erwürgt wurde.
Doch der Schaden war bereits angerichtet. Die Monate im Schaffhauser Gefängnis haben ihm offensichtlich zugesetzt:

Das alles wohlgemerkt für ein Delikt, das er nicht begangen hat. Das Verfahren wegen der Beihilfe und Verleitung zum Selbstmord läuft noch. Vielleicht wird die Staatsanwaltschaft es nun einstellen mit Verweis auf seinen Tod, in Tat und Wahrheit gibt es natürlich schon zahlreiche ähnlich gelagerte Fälle, in denen keine Strafbarkeit vorlag. Die Festnahme erfolgte im Grunde genommen nicht, weil irgendwer mit dem Einsatz der Kapsel gegen ein Gesetz verstossen hat. Sie erfolgte, weil Peter Sticher den Einsatz verboten hatte.