Wilder Westen in Schaffhausen

Nachdem bereits die Verwendung des Gefängnisses nicht ordentlich geregelt ist und von der Polizei verwendet wird, obwohl nicht festgeschrieben, der Kanton legal Druckkosten erhebt, die er bei Anwälten selbst als unverhältnismässig beurteilt und die Staatsanwaltschaft selbst die Möglichkeit der Eingaben beschränkt, kommen wir zu einer weiteren Blüte der Schaffhauser Praxis, auf deren Widerrechtlichkeit die Staatsanwaltschaft selbstverständlich vor über einem Jahr hingewiesen wurde, die sie aber dennoch weiter handhabt, denn Peter Stichers Wort steht hier über der StPO:

Hier sehen wir einen Auszug aus der schweizerischen Strafprozessordnung, Art. 199 bestimmt die Form der Anordnung einer Zwangsmassnahme. Bei einer Zwangsmassnahme handelt es sich um eine Massnahme, bei der der Staat unter gewissen Voraussetzungen in die Grundrechte eingreifen darf.
Beispiele dafür sind Hausdurchsuchungen, geheime Überwachung, Verhaftungen oder auch polizeiliche Vorführungen.
Voraussetzungen für die Ergreifung einer solchen Zwangsmassnahme sind, dass:
a. sie gesetzlich vorgesehen sind;
b. ein hinreichender Tatverdacht vorliegt;
c. die damit angestrebten Ziele nicht durch mildere Massnahmen erreicht werden können;
d. die Bedeutung der Straftat die Zwangsmassnahme rechtfertigt.

Dabei gilt der Grundsatz der Verhältnismässigkeit. Je schwerer der Grundrechtseingriff, desto höhere Bedeutung muss beispielsweise die Straftat haben. Bei einer blossen Übertretung ist die Polizei z.B. nur unter bestimmten Bedingungen befugt, jemanden festzunehmen (z.B. Person kann oder will sich nicht ausweisen).
Auch hier handelt die Schaffhauser Polizei schon nach eigenem Gutdünken, indem sie z.B. – nachdem zwei Personen eine Kamera im öffentlich zugänglichen Polizeihof angesehen haben – der Meinung war, eine Durchsuchung von Aufzeichnungen sei gerechtfertigt bzw. die Weigerung würde bedeuten “dass man etwas zu verbergen habe”. Gleichermassen wollte ebenjener Polizist sein Telefon nicht zur Durchsuchung freigeben, woraus nach allgemeiner Schaffhauser Praxis geschlossen werden muss, dass er etwas zu verbergen hatte.

Heute soll es aber um eine andere Zwangsmassnahme geben, nämlich die polizeiliche Vorführung.
Art. 199 StPO normiert die Anordnung einer Zwangsmassnahme, namentlich ist jede Anordnung- sofern schriftlich anzuordnen und nicht geheim zu halten – der direkt betroffenen Person in Kopie und gegen Empfangsbestätigung auszuhändigen. Bei einem Durchsuchungsbefehl hat die Staatsawaltschaft das folgendermassen gelöst:

Es gibt also eine eigene Seite, auf der der Empfang durch die betroffene Person bestätigt wird und wo auch vermerkt werden kann, wenn die Unterschrift (aus diversen Gründen) verweigert wird. Die Verweigerung einer Unterschrift ziemt sich beispielsweise, wenn die Polizei nicht an die Regeln hält, indem sie den Befehl nur kurz und/oder am Ende vorzeigt, Rechte wie Siegelungsrecht mündlich anders erklärt etc.

Hier hat zumindest die Staatsanwaltschaft einen formell (leider nicht inhaltlich) korrekten Durchsuchungsbefehl ausgestellt, der formell korrekt vorgezeigt und sein Empfang bestätigt werden könnte. Anders sieht es bei dieser Zwangsmassnahme aus:



Hierbei handelt es sich um einen Vorführungsbefehl. Wenn wir uns mit der Form der Anordnung von Zwangsmassnahmen beschäftigen, wissen wir bereits aus Art. 199 StPO, dass diese – sofern schriftlich anzuordnen – in Kopie auszuhändigen und deren Empfang zu bestätigen ist. Präzisiert wird dies in sämtlicher Rechtsliteratur, beispielsweise in den Basler Kommentaren (sehr empfehlenswerte Lektüre für jeden, der wissen möchte, wo die Staatsanwaltschaft abschreibt, jeder Artikel des StGB und der StPO – auch anderer Gesetzesbücher – wird genauestens erklärt und mit Urteilen unterlegt):

BSK StPO-Moor/Henauer/Rüegger, Art. 208 StPO, N. 4

Nun, da wir die Formvorschriften kennen: Wird der Vorführungsbefehl in Schaffhausen vorgewiesen? Leider nein. Wird der Empfang bestätigt? Leider nein, es gibt – im Gegensatz zum Durchsuchungsbefehlsformular – auch kein Feld für eine Empfangsbestätigung, auf dem man unterschreiben oder allenfalls die Verweigerung der Unterschrift vermerken könnte. Wird eine Kopie ausgehändigt? Wieder Fehlanzeige.

Aber es kommt noch besser: Nicht nur weist die Polizei den Vorführungsbefehl nicht vor und händigt keine Kopie aus, er ist anschliessend nicht einmal in den staatsanwaltschafttlichen Akten, obwohl er an die erlassende Behörde – also die Staatsanwaltschaft – zurückgesendet werden müsste.

Vielmehr ist es an der beschuldigten Person, in den unzähligen Akten einen Hinweis auf einen Vorführungsbefehl zu finden und ihn bei der Staatsanwaltschaft zu erfragen, wodurch er – wie hier geschehen – fast ein Jahr danach zugestellt wird.

Es wird also ebenso verfahren wie mit Durchsuchungsbefehlen:
Hier wurde ein Telefon weggenommen und zu öffnen versucht, allerdings aufgrund fehlenden Pins nicht geschafft. Konkret hat man nach einer laufenden Audioaufnahme gesucht. Auch hier wurde der Durchsuchungsbefehl erst ein Jahr später und nach mehreren Nachfragen ausgestellt, da man es angeblich vergessen hatte.


Tatsächlich wurde die Staatsanwaltschaft – auch in diesem Fall war es Johannes Brunner, der es “vergessen” hatte – mehrmals daran erinnert (was sie beim Versuch, Hans-Peter als zeitfressenden Querulanten darzustellen, sogar in ihren eigenen Aktennotizen festhielt) und bestand darauf, dass kein Durchsuchungsbefehl auszustellen bzw. zuzustellen sei, wenn das Telefon nicht geöffnet werden konnte.

Aufgrund dieser falschen Annahme wurde auch ein anderer Durchsuchungsbefehl nicht zugestellt, obwohl man das Telefon, das man bei der Hausdurchsuchung – und das nicht der ursprünglich beschuldigten Person gehörte – beschlagnahmt hatte, wochenlang einbehalten und zu öffnen versucht wurde.

Hier sehen wir eine verwaiste Empfangsbestätigung, bei der im Gegensatz zum obigen Durchsuchungsbefehl weder Datum noch “Unterschrift verweigert” eingetragen wurde, da man ihn nie zugestellt hat, erst in den Akten bei Einsicht Monate später tauchte diese Anordnung auf.



Es scheint schlicht und ergreifend eine Sticher’sche Praxis – auch Schaffhauser Praxis genannt – zu sein, dass bestimmte Zwangsmassnahmen nicht formell korrekt angeordnet und deren Anordnung zugestellt werden. Auch in anderen Fällen werden die Vorführungsbefehle nicht vorgezeigt, nein: Man wird wie im wilden Westen von der Polizei abgeführt. Wenn man Glück hat, wird der Grund mündlich vor sich hin gemurmelt, wenn man Pech hat eben nicht.

Die Akteneinsichten bleiben ebenfalls unvollständig. Ist man sehr beharrlich, kann man sich dann ein Jahr später – wenn man die Unterlagen erstmals sieht – dagegen beschweren, das Obergericht jedoch schützt die Sticher’sche Praxis und wagt es nicht mit einem Wort, diese Versäumnisse zu rügen, sondern weist die Beschwerde damit ab, dass man kein Feststellungsinteresse mehr habe.

Urteil des Schaffhauser Obergerichts vom 23. Mai 2023

Kurzum: Da es ja schon abgeschlossen ist und man auch nichts gefunden hat (ergo du unschuldig warst oder man dir zumindest nichts nachweisen konnte), hast du kein schutzwürdiges Interesse daran, dass wir den Durchsuchungsbefehl beurteilen.
Es wird also explizit die Unbescholtenheit des Bürgers als Grund dafür herangeführt, dass er keinen Rechtsschutz gegen willkürliche und nicht ordentlich angeordnete Zwangsmassahmen geniesst.

Was also ist das Ergebnis dieser Praxis?

Der Bürger Schaffhausens kann jederzeit durch die Polizei abgeführt oder sein Telefon beschlagnahmt werden, ohne ihm auch nur ein Dokument vorzuweisen, dementsprechend erhält er auch keine Rechtsmittelbelehrung. Ein effektiver Rechtsschutz existiert nicht, da das Obergericht diese Vorgehensweise – sollte man wider Erwarten wissen, dass einem ein Dokument zusteht, mehrmals nachfragen und auch Jahre später Beschwerde dagegen führen – gutheisst. Die Anwälte Schaffhausens scheinen sich an dieser Praxis offensichtlich ebenfalls nicht zu stören, zumindest wurden keine entsprechenden Beschwerden gefunden (evtl. wurden sie vom Obergericht auch nicht veröffentlicht), genauso wenig scheint es die Polizei zu bekümmern. Die Staatsanwaltschaft selbst wurde bereits vor über einem Jahr darüber informiert, verfolgt diese Praxis aber immer noch. Der Regierungsrat weiss leider nicht, dass er die Aufsichtsbehörde der Staatsanwaltschaft ist und weist Aufsichtsbeschwerden an das Obergericht weiter und der Kantonsrat steckt den Kopf in den Sand und überlegt stattdessen, wie er der Polizei und Staatsanwaltschaft das Fitnessstudio finanzieren kann, das sie verdient haben – und für das selbstverständlich der Steuerzahler aufkommen darf, der dieser ganzen Misere an bewusster Unfähigkeit der Schaffhauser Justiz ausgeliefert ist. Schlussendlich scheint in Schaffhausen Peter Sticher – Vizezunftmeister der Schneiderszunft, Lion, Puck und Vater des ersten – und jüngsten – Wirtschaftsberaters einer Staatsanwaltschaft in der Schweiz – zu regieren und sich bewusst und mit Segen sämtlicher Gewalten und Instanzen Schaffhausens über das Gesetz hinwegsetzen zu dürfen.


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