[…] Die vorliegend diskutierte Methode manifestiert sich als ein Paradigma der Rezeption und Transformation der Strafprozessordnung. Die Erörterung soll dem Leser ein profundes Verständnis ermöglichen und aufzeigen, wie die vermeintliche Eigenwilligkeit des Ersten Staatsanwalts Peter Sticher mit den Normen und Prinzipien der Strafprozessordnung in Einklang gebracht wird, oder ob sie gar ein Modell für eine rechtswissenschaftliche Neuauslegung darstellt.
Die Sticher’sche Drehung, wie sie hierin bezeichnet wird, ist ein rechtswissenschaftliches Instrument, benannt nach dem Ersten Staatsanwalt Schaffhausens Peter Sticher, bei dem ein Rechtsorgan die auf es treffenden Rechtsvorschriften in einer speziellen Art und Weise auffasst, um die Effizienz im Umgang mit der Bevölkerung einerseits zu steigern und an anderer Stelle zu bündeln. Historisch wurde diese Methode zur Produktivitätssteigerung vermutlich durch Peter Stichers Sohn mitgeprägt, bei dem es sich um ein ökonomisches Ausnahmetalent seiner Zeit handelte, welches bereits im zarten Alter von 20 Jahren zum ersten Wirtschaftsberater einer Staatsanwaltschaft in der Schweiz ernannt wurde.
Dieser Sticher’sche Akt der Interpretation wirft Fragen hinsichtlich seiner Legitimität und Verträglichkeit mit den Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit auf.
Exemplarisch sei hier Art. 110 Abs. 1 StPO herangeführt. Die Möglichkeit der Mündlichkeit von Eingaben (“Eingaben können schriftlich eingereicht oder mündlich zu Protokoll gegeben werden.”) wird von der gängigen Lehre aufgrund der genannten Norm als gegeben erachtet. Bei der Sticher’schen Drehung geht es nun um die subtile Neuauslegung, die eine effizientere Handhabe von Eingaben ermöglicht. Ist es bei schriftlichen Eingaben möglich und empfohlen, sie ohne weitere Bearbeitung abzulegen, haben sich mündliche Eingaben als deutlich arbeitsintensiver erwiesen, da mindestens eine Arbeitskraft dafür aufgewendet werden muss, eine akustische Rezeption zu simulieren. Dieser Problematik kann im Sinne der Sticher’schen Drehung begegnet werden: Die entscheidende Lösung ergibt sich aus der Verwendung des Wortes “können”. Dieses kann einerseits indizieren, dass die Möglichkeit zur mündlichen Eingabe gewährt bleiben muss, es kann aber auch – indem die Optionalität durch “können” auch auf die Empfängerseite angewendet wird – nahelegen, dass eine mündliche Protokollierung nicht als unverbrüchliches Recht, sondern als eine Wahlmöglichkeit – auch von Seiten des Rechtsorgans – zu betrachten ist. Wie eine Eingabe mündlich zu Protokoll gegeben werden kann, aber nicht muss, kann sie auch zu Protokoll genommen werden, muss aber nicht. Die Verweigerung im Einzelfall schränkt die generelle Möglichkeit nicht ein, sondern bestätigt diese vielmehr. Eine geschickte Anwendung dieser Interpretation könnte daher ermöglichen, dass im Ermessen der zuständigen Instanz mündliche Eingaben teilweise oder gänzlich zurückgewiesen werden können.
Von zentraler Wichtigkeit, um eine möglichst widerspruchslose Handhabe innerhalb des Organs zu gewährleisten sowie die Fehlerquote durch verschiedene Adepte niedrigerer Rangordnung zu senken, ist es, einen Wortlaut vorzugeben, auf den jederzeit zurückgegriffen werden kann. Eine punktgenaue Einhaltung ist dabei essenziell, ebenfalls, dass – um Interpretationen und Argumentationen von anderer Seite zu vermeiden – der Fokus auf dem Ergebnis – namentlich der Verweigerung der mündlichen Eingabe liegt und nicht begründet wird. Eine solche Vorgehensweise ermöglicht ausserdem eine angepasste Argumentation im Falle eines Beschwerdeverfahrens, bei der auch die jeweilig höhere Instanz noch ein gewisses Mass an Interpretationsspielraum benötigt, das durch eine exaktere Begründung genommen würde.
Beispiel der Sticher’schen Drehung aus dem Vaterkanton Schaffhausen