Wie weiter im Folterverfahren

Wer hätte das gedacht, das Obergericht hat in Einzelbesetzung (Oliver Herrmann war Vorsitzender und hat das Urteil gefällt) entschieden, dass die Einstellung des “Folterverfahrens” rechtens war. Der Verfahrensleiter (Staatsanwalt) Steven Winter hatte das Verfahren eingestellt (wir haben darüber bereits berichtet). Die Einstellung sowie der Entscheid des Obergerichts (dass die Einstellung rechtens war) ist noch nicht rechtskräftig, da Beschwerde beim Bundesgericht erhoben wurde.

Eigentlich arbeitet Steven Winter nicht mehr bei der Staatsanwaltschaft. Leslie Gmür wurde als Staatsanwältin in der Allgemeinen Abteilung eingestellt, um die Vakanz zu füllen. Offiziell hat die Staatsanwaltschaft jedoch (noch) nicht bekannt gegeben, wer der neue Verfahrensleiter sein wird; Wahrscheinlich wird es jedoch Martin Bürgisser sein, der in anderen Verfahren zum gleichen Sachverhalt bereits die Verfahrensleitung inne hat; Zwar hätte er bereits in Pension gehen können, als er den Job als Oberstaatsanwalt in Zürich abtrat, jedoch kam er zu unser aller Glück nach Schaffhausen, wo er aufgewachsen ist; Sein Vertrag mit der Staatsanwaltschaft Schaffhausen endete in 2023, wurde jedoch bis in den Sommer 2026 verlängert. Dass Juristen (allen voran Anwälte, Richter und Staatsanwälte) bis ins hohe Alter arbeiten, ist eine weit verbreitete Berufskrankheit, jedoch ist Martin Bürgisser geistig fit, was man von einigen seiner gleichaltrigen Berufskollegen – welche vor Gericht (während sie reden) einschlafen – nicht unbedingt sagen kann.

Oliver Herrmann will nicht lügen

Oliver Herrmann hat zwar die Einstellung gutgeheissen, somit die Beschwerde von Hanspeter abgewiesen, jedoch muss ihm zugute gehalten werden, dass er im Gegensatz zu seinen anderen Kollegen, nicht log und den hauptsächlichen Sachverhalt (nackt entkleiden) mehrheitlich korrekt darstellte. Im gleichen Sachverhalt haben andere Richter sowie der verfahrensleitende Staatsanwalt Steven Winter versucht, das Opfer (Hanspeter) als Täter darzustellen (Victim Blaming), sogar Bundesgerichtsurteile zu ihren Gunsten falsch zitiert und übersetzt und sind auf widersprechende Argumente nicht eingegangen

Wie Oliver Herrmann die Einstellung guthiess

Im Gegensatz zur Einstellung hat der Richter diesmal nicht versucht, die Tat zu bagatellisieren. In der Einstellung wurde noch verneint, dass nacktes Festhalten einen Amtsmissbrauch darstellen könnte, jedoch hat Oliver Herrmann festgehalten, dass dies nicht klar zu verneinen sei.

Zusammenfassend machte er geltend, dass sich die Polizisten und Gefängnismitarbeiter in einem Irrtum über die Rechtswidrigkeit befunden hätten, (für Laien ausgedrückt) somit nicht wussten, dass nacktes Festhalten rechtswidrig ist.

Hätte er sich die Akten durchgelesen, hätte er gemerkt, dass die Polizisten und Gefängnismitarbeiter die jeweiligen Reglemente (welche nacktes Festhalten verbieten, wovon es jeweils eines für das Gefängnis und eines für die Polizei gibt) von den Polizisten sowie den Gefängnismitarbeitenden unterschrieben wurden, somit diese den Inhalt gelesen und verstanden haben, zudem war es Teil ihrer Ausbildung, zu wissen, was Folter/unmenschliche Behandlung darstellt, sofern die Schweizerische Eidgenossenschaft das “Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe” eingehalten hat (Art. 10 Abs. 1, 0.105). Die Ausrede “Sie wussten nicht, was sie tun”, wird nicht ziehen.

Bei Staatsangestellten gibt es die Besonderheit, dass der Privatkläger sie nicht haftbar machen kann, da die kantonalen Haftungsgesetze (in Schaffhausen Art. 3) bestimmen, dass der Staat für ihre verursachten Schäden (im Rahmen ihrer Arbeit) haftet, das Geld jedoch anschliessend von ihnen einklagen kann. Dies hat jedoch zur Folge, dass der Privatkläger Nichtanhandnahmen/Einstellungen, bei denen der Beschuldigte Staatsangestellter ist, spätestens vor dem Bundesgericht nicht beschweren kann, da er ja keine Zivilansprüche gegen den Beschuldigten hat und der Strafanspruch ohnehin dem Staat gebührt. Dies gilt jedoch nicht für den Fall, dass die EMRK, der UNO Pakt II sowie das Übereingekommen gegen Folter (also gleich drei internationale Verträge) verletzt sind, diese garantieren die Bestrafung des Täters sowie eine vertiefte Untersuchung, die bei Ermittlungen, in denen diverse Beweise fehlen, nicht stattgefunden hat.

Seit dem Vorfall hat Hanspeter (durch Gutachten belegbar) seine Teamfähigkeit verloren und wird deshalb nicht mehr eingestellt: Würde Hanspeter einer Arbeit (z.B. Selbständigkeit) nachgehen, wären die Zivilansprüche nicht so hoch, denn Hanspeter könnte dann ja offensichtlich arbeiten und der erlittene Schaden wäre nicht so schlimm.

Das Gute an den Konventionen ist, dass Hanspeter das Verfahren auch an die internationalen Gerichte weiterziehen kann, selbst wenn das Gericht (Staatsanwaltschaft, Kantonsgericht, Obergericht) eine Strafe aussprechen sollte und eine höhere Strafe verlangen kann. Extrembeispiel: Die Justiz würde die Polizisten zu einem 1 Tag mit Tagessatz von 200 CHF bestrafen (somit die Polizisten 1 Tag im Knast sitzen dürfen oder einfach 200 CHF bezahlen), dann wird Hanspeter auf jeden Fall weiterziehen. Die Polizisten werden sich fragen, warum ausgerechnet sie alleine dafür bestraft werden sollen, wenn es doch alle tun… Tja, das hat die Staatsanwaltschaft sowie das Obergericht bereits im Sachverhalt bindend festgehalten (wir haben bereits darüber berichtet), namentlich war es nur ein Einzelfall und es gibt – entgegen der Aussagen der Polizisten – keine Hinweise, dass jemals jemand anders nackt festgehalten wurde.

Wie das Bundesgericht sich entscheiden wird

Das Bundesgericht hatte bereits in verschiedenen Verfahren seit den 90ern Gelegenheit gehabt, sich zu Vorwürfen des Verstosses gegen Art. 3 EMRK zu äussern, hat jedoch darauf verzichtet bzw. “durfte” sich dazu nicht äussern, weil sie meist (auch ohne Beschwerdeantrag) festgestellt haben, dass das rechtliche Gehör verletzt wurde: Wenn nämlich das rechtliche Gehör verletzt wurde, dann ist der Sachverhalt nicht korrekt erstellt, somit auf dieser Grundlage kein Entscheid gefällt werden darf bzw. kann. Nichtsdestotrotz könnte Hanspeter es trotzdem an den EGMR ziehen.

Im vorliegenden Verfahren wurde bereits im Herbst 2023 eine Beschwerde wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs beim Bundesgericht eingereicht; Das Verfahren ist pendent – es fand nicht einmal ein Schriftenwechsel statt. Bei den anderen Verfahren zum gleichen Sachverhalt hat das Bundesgericht relativ schnell eine Entscheidung gefällt. In der neuen Beschwerde wurde ebenfalls beantragt, dass die Verletzung des rechtlichen Gehörs festgestellt werden soll, denn Oliver Herrmann hat Hanspeter eine mündliche Eingabe verweigert; Oliver Herrmann hat zusammenfassend festgehalten, “dass Beschwerdeverfahren gemäss Art. 397 Abs. 1 StPO schriftlich geführt werden”, was der Beschwerdeführer (Hanspeter) jedoch nie bestritten hat und deshalb gerügt hat, dass nicht der Beschwerdeführer das Beschwerdeverfahren schriftlich zu führen hat, sondern das Obergericht selbst und ihm eine mündliche Eingabe gemäss Art. 110 StPO zusteht. Zudem hat Hanspeter niemals eine vollständige Akteneinsicht erhalten.

Das Bundesgericht wird sich sehr wahrscheinlich zur Frage, ob das nackte Festhalten eine Folter/unmenschliche Behandlung war, nicht äussern, sondern festhalten, dass das rechtliche Gehör verletzt wurde und die Vorinstanz (das Obergericht) neu urteilen muss, da sie ja basierend auf einem unvollständigen Sachverhalt keine Entscheidung fällen können; was auch erklärt, weshalb die Beschwerde vom Herbst 2023 bislang nicht bearbeitet wurde.

Veröffentlichung der Akten/Entscheide

Bei Verfahrensabschluss wird geprüft, ob alle Akten anonymisiert veröffentlicht werden sollen bzw. dürfen (die Akten umfassen bereits 8kg und über 1500 Seiten). Je nachdem wie schnell sich das Bundesgericht entscheiden wird und wie diese Entscheidung aussieht, werden die Einstellung, die Beschwerden sowie die Urteile (anonymisiert) veröffentlicht: Sollte das Bundesgericht die Vorinstanz zur Neubeurteilung anhalten, dann gibt es noch keinen Verfahrensabschluss und somit wird auf die Veröffentlichung verzichtet, damit die potenziell Beschuldigten sich nicht rechtlich vorbereiten können (Waffengleichheit), denn Hanspeter hatte dieses Privileg auch nicht.

Copyright – Fair Use

Beim Titelbild handelt es sich um Joshua McLemore (Law&Crime hat darüber berichtet), ein an Schizophrenie erkrankter Häftling, der 2023 starb, nachdem er fast drei Wochen lang allein, nackt, dehydriert und unterernährt in einer schmutzigen Gefängnisgummizelle eingesperrt war, während die Gefängniswärter live zusahen, wie er dahinrottete, und erst eingriffen, als es zu spät war. Er wurde anfänglich verhaftet, weil er eine Krankenschwester an den Haaren zog und landete später in der Gummizelle, weil er sich “renitent” und “respektlos” gegenüber der Polizei verhalten hatte. Die Familie erhielt 7’250’000.’00 $ Entschädigung, 6 Gefängnismitarbeiter wurden entlassen und einer musste sogar für 14 Monate selbst ins Gefängnis (sitzt zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels immer noch). Hier in Schaffhausen wäre das Obergericht sowie die Staatsanwaltschaft froh gewesen, wenn wenigstens eine Decke gegeben worden wäre, so hätte das nackte Festhalten von Vornherein verneint werden können.

2 thoughts on “Wie weiter im Folterverfahren”
  1. Merk ich mir: “Wusste nicht dass ich nicht darf, dachte ich darf” mal gucken ob bei mir ein Richter auch so fair sein wird.

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