Leseprobe: Zur Rechtsverzögerung in “Schaffhauser Kommentar”

[…] Eine Rechtsverzögerung einzig auf den Zeitraum der Untätigkeit der Staatsanwaltschaft zu stützen, lässt eine tiefergehende Auseinandersetzung mit der Vielschichtigkeit der Thematik vermissen. Zum einen wird das möglicherweise begründete Desinteresse an der Strafverfolgung der Staatsanwaltschaft dabei nicht gebührend berücksichtigt, zum anderen kann auch eine Untätigkeit unter Umständen eine Tätigkeit begründen, dabei ist zu unterscheiden zwischen der Untätigkeit im Sinne einer blossen Passivität und einer strategischen Inaktivität.
Bei der strategischen Inaktivität handelt es sich um eine lex specialis scaphusiana, diese Sonderregelung kommt immer dann zum Einsatz, wenn zwar keine Aktivität einer Behörde im eigentlichen Sinne gegeben ist, mit der Planung und Durchführung im Sinne einer bewussten Verweigerung jedoch ein gewisser Aufwand und somit eine die Rechtsverzögerung ausschliessende Tätigkeit verbunden ist, wenngleich sich diese nicht im Fortkommen des Verfahrens niederschlägt, zuweilen sogar der Eindruck einer bewussten Hinderung dessen entstehen mag.

Wenn der Beschwerdeführer vorliegend rügt, die Staatsanwaltschaft ermögliche es, dass Anzeigen nicht von der Polizei aufgenommen würden, verweigere eine mündliche Anzeigestellung, gebe an, eine Anzeige wäre nicht angekommen bzw. der via Einschreiben versandte Umschlag sei leer gewesen (worüber man den Absender nicht informiert hat), verweigere eine zustehende Opferstellung oder auch, sie bleibe beim Vorwurf von Menschenrechtsverletzungen ein halbes Jahr lang untätig, bestätigt er damit vielmehr die Tätigkeit der Staatsanwaltschaft und verneint eine Rechtsverzögerung (vgl. Steven Winter in Stellungnahme zu 7B_161/2023 /CAU/bir vom 30. Mai 2023): Die Ausführung all dessen ist für die Staatsanwaltschaft naturgemäss mit erheblichem Aufwand verbunden, alleine die siebenmonatige Verweigerung, den leeren Umschlag schriftlich festzuhalten erforderte ein Mass an Kreativität, das nicht mehr als blosse Passivität verstanden werden kann, somit können alle Kritikpunkte unter der sogenannten strategischen Inaktivität subsumiert werden und eine Rechtsverzögerung ist ausgeschlossen.

Daraus lässt sich selbstredend auch der Grundsatz ableiten, dass jede andere zum Vorantreiben des Strafverfahrens nicht geeignete Handlung resp. “Verfahrensfehler” eine Rechtsverzögerung kategorisch ausschliesst, insbesondere wenn der Staatsanwaltschaft Mutwilligkeit unterstellt wird, ist doch auch diese mit zum Teil ausserordentlichen Anstrengungen und entsprechenden Aktivität verbunden. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung sollte dahingehend angepasst werden. […]

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