Prügelattacke: Fake-Untersuchung führt ehemaliger Lehrer des Anwalts

Der Regierungsrat hat von Anfang an angekündigt gehabt, die Glaubwürdigkeit der Justiz wiederherzustellen und deshalb eine externe Untersuchung eingeleitet.

Andreas Donatsch, der ehemalige Dozent vom “Prügelattacke-Anwalt” wird die Untersuchung führen.

Glaubwürdigkeit der Justiz soll wiederhergestellt werden

Die “externe und total unabhängige” Untersuchung soll die Glaubwürdigkeit der Justiz wiederherstellen.

Die wichtigste Frage wird sein, ob die Regierung bereit ist, zusammen mit der Geschäftsprüfungskommission eine unabhängige externe Untersuchung zu den Vorwürfen in Auftrag zu geben […] oder was die Regierung sonst unternimmt, um den Ruf und die Glaubwürdigkeit der Schaffhauser Strafverfolgungsbehörden wiederherzustellen.

Linda De Ventura, Kantonsrätin

Lokalzeitungen verlieren Rest-Glaubwürdigkeit

Zwei Zeitungen aus Schaffhausen (die Schaffhauser Arbeiterzeitung, SHAZ sowie die Schaffhauser Nachrichten, SHN) sind sofort aufgesprungen und wollten die Glaubwürdigkeit der Staatsanwaltschaft wiederherstellen. Liegt natürlich nicht daran, dass der Chefredakteur der SHN Robin Blanck mit dem Ersten Staatsanwalt Peter Sticher gut befreundet ist und sie sich in ihrer Freizeit im Lions-Club Schaffhausen (Mitglieder-Liste), der Möchtegern-Elite Schaffhausens, treffen.

Auch der Chefredakteur der Schaffhauser Arbeiterzeitung sucht die Nähe zum Lions Club und hat dort sogar mehrmals Vorträge zur Unterhaltung der Mitglieder gehalten. Das Entertaiment darf man sich so vorstellen, wie wenn der Hofnarr die Adligen belustigt.

SHAZ: «Alles war ganz anders!»

Die SHAZ veröffentlichte eine ganze Woche nach dem Rundschaubericht (und genau dann, als die Regierung ankündigte, die “Glaubwürdigkeit wiederherzustellen”) eine Gegendarstellung. «Der ‹AZ› liegen Akten und Videoaufnahmen vor, die ein anderes Licht auf die Geschehnisse werfen», stand in der Überschrift. Davon war nichts im Artikel zu lesen… Es las sich eher wie eine Opfer-Täter-Umkehr (Victim-Blaming) und stellte Fabienne W. als diejenige dar, welche sich “aufmüpfig” verhielt. Unterschwellig schwang darin mit, dass sie zumindest eine Mitschuld traf.

Nicht nur die SHAZ, sondern beide Schaffhauser Zeitungen waren sehr darum bemüht, zumindest die Schaffhauser Staatsanwälte in einem guten Licht dastehen zu lassen, es gab sogar einen ausführlichen Bericht, warum die Untersuchung so lange dauerte sowie ein absurd unkritisches Interview mit der Leitung der Staatsanwaltschaft.
Sogar die NZZ schalt die SHAZ und kritisierte deren “Objektivität”. Vielleicht war die SHAZ – so wie es die NZZ andeutet – tatsächlich neidisch, dass die grossen Fische (SRF und co.) einfach so in ihr Aquarium eindrangen…Dafür jedoch tragen sie selbst die Verantwortung: Bevor Fabienne W. sich an das SRF wandte, wurden die lokalen Medien in Schaffhausen angeschrieben und nur ein Schaffhauser Radiosender (dessen Name hier ungenannt bleiben soll) hat sich bereit erklärt, den Fall in die Öffentlichkeit zu tragen; Kurze Zeit später hat das SRF zugesagt und das Lokalradio hat sich wohlwollend zurückgezogen (die Reichweite von SRF ist weitaus grösser).

Als der SHAZ-Autor später vom Alternativ-Medium Radio Rasa gefragt wurde, ob sein Artikel nicht den Eindruck vermittle, dass Fabienne W. «ein bisschen mitschuldig» sei an dem, was ihr passiert sei, sagte er: «100 Prozent Opfer und 100 Prozent Täter – das gibt es auf dieser Welt nicht.»

Wenig später krebste der Autor (der hier ebenfalls ungenannt bleiben soll) von seinem eigenen Artikel zurück und entschuldigte sich in einer redaktionellen Stellungnahme.

Der SHN muss zugute gehalten werden, dass sie, auch wenn sie zwar null Kritik an der Staatsanwaltschaft ausüben, zumindest nicht den Eindruck einer Täter-Opfer-Umkehr vermittelte.

Regierungsrat will keine Untersuchung gegen Staatsanwaltschaft, nur gegen die Polizei

Gegen die Polizei sollen nun Ermittlungen durchgeführt werden… Die Polizei wird jedoch von der Staatsanwaltschaft angewiesen. Das Einzige, was die Polizei selbständig machte, ist, einen Sachverhalt an die Staatsanwaltschaft zu rapportieren, danach ist es Sache der Staatsanwaltschaft.

Am 28. und 29. Dezember 2021 war die Staatsanwaltschaft in den Ferien. Gemäss Gerüchten war jedoch eine Pikett-Staatsanwältin verfügbar. Ob sie jedoch tatsächlich auch der Polizei geantwortet hat, ist unbekannt, jedoch bestehen Zweifel daran, dass die Staatsanwaltschaft zum besagten Zeitpunkt verfügbar war, denn am gleichen Tag wurde jemandem in Schaffhausen die DNA mit Zwang und ohne staatsanwaltschaftliche Genehmigung (somit rechtswidrig) abgenommen – die dazugehörige Verfügung wurde dem Opfer verweigert und sogar vor der Staatsanwaltschaft behauptet, dass das Dokument nicht existiere: Erst als er anderweitig an die Verfügung kam (eine erzwungene DNA-Abnahme somit beweisen konnte) und den Polizist wegen Unterdrückung von Urkunden anzeigte, erst dann ist die Verfügung aufgetaucht: Der Staatsanwalt Margin Bürgisser hat das Verfahren eingestellt, denn die Verfügung war ja auffindbar (nachdem eine Anzeige erfolgte)… Das Urteil wurde weitergezogen, woraufhin Oberrichterin Susanne Bollinger erklärte (Urteil 51/2023/11), dass die Verfahrenseinstellung rechtens sei.

Das die Polizisten bauerngeopfert werden, ist nichts neues: Es ist halt leichter nach unten, statt nach oben zu treten.

Rechtliche Schritte gegen SRF

Der Regierungsrat und die Staatsanwaltschaft haben bereits angekündigt, dass sie rechtliche Schritte gegen das SRF aufgrund der Rundschau einleiten möchten und überprüfen dies nun.

Stellungnahme des Regierungsrats

Der Regierungsrat hat eine Stellungnahme gemäss kantonsrätlicher Interpellation abgegeben und erklärt, dass die Polizei, vor allem jedoch die Staatsanwaltschaft keine Fehler gemacht hat. Wieso leiten sie dann trotzdem eine externe Untersuchung ein? Ist es eine echte Untersuchung, die Fehler aufdeckt, oder geht es einfach darum “die Glaubwürdigkeit wiederherzustellen”, weil zum Schluss kommen wird, das alles richtig gemacht wurde?

Die Beantwortung der Interpellation liest sich ein wenig wie ein Verteidigungsplädoyer

Linda De Ventura

Persönlich möchte ich dem Regierungsrat für die Stellungnahme danken, vor allem für Seite 8: Dort wird festgehalten, dass die Polizei mit ~40 Lektionen in Menschenrechten geschult wird – Oberrichter Oliver Herrmann hat vor kurzem mehrere Polizisten freigesprochen (bzw. die Einstellung gutgeheissen) die der Folter/unmenschlicher Behandlung bezichtigt sind (nacktes Festhalten, ausgeschaltete Wasserzufuhr, ausgeschaltetes Licht, verweigerter Arzt, verweigertes Toilettenpapier, ohnmächtig liegen gelassen) mit der Begründung, dass das kein Amtsmissbrauch sei, da die Polizisten nicht wussten, dass das eine erniedrigende Behandlung ist (aber gemäss Regierungsrat sie in Menschenrechten geschult wurden, also eben doch wissen, was eine unmenschliche Behandlung ist).

Ergebnisse der Untersuchung, kleine Prophezeiung

Da nur gegen die Polizei, nicht jedoch die Staatsanwaltschaft ermittelt wird, werden keine Fehler zu finden sein können. Die Polizei kann nicht für von der Staatsanwaltschaft delegierte Tätigkeiten belangt werden: Es müsste sich um einen Amtsmissbrauch handeln und dieser muss vorsätzlich geschehen. Dass die Polizei bei Hausdurchsuchungen nicht korrekt arbeitete (z.B. Datenträger nicht mitnehmen), kann rechtlich nicht der Polizei angelastet werden, da für Hausdurchsuchungen die Staatsanwaltschaft zuständig ist. Das einzige, was der Polizei angelastet werden könnte, sind Tätigkeiten, welche sie selbstständig erledigen wie z.B. Rapportierung an die Staatsanwaltschaft als erste Bestandsaufnahme: Dabei handelt es sich um ein vordefiniertes Protokoll – es ist sehr unwahrscheinlich, dass bei der Protokollierung ein gravierender Fehler passiert ist.

Der Präsident des Polizeibeamtenverbands hat die Staatsanwaltschaft öffentlich kritisiert und darauf hingedeutet, dass es strukturelle Probleme innerhalb der Führung der Staatsanwaltschaft gibt.

Die “externe und total unabhängige” Untersuchung kann nur zum Schluss kommen, dass die Polizei die Arbeit richtig machte… Zwar macht es keinen guten Eindruck, dass der “externe und total unabhängige” Untersucher auch der ehemalige Dozent des beteiligten Anwalts ist, aber auch sonst würde er zum gleichen Resultat kommen.

Anmerkungen zum Titelbild:

Beim Titel-Bild handelt es sich um Peter Sticher, welcher mit seinem Sohn im Ausland in den Ferien verweilte. Das Bild wurde mit der Überschrift “Quality Time mit capo” (umgangssprachlich für “Mafiaboss”) von seinem erwachsenen Sohn auf Instagram veröffentlicht. Scheinbar wurde das Foto genau dann geschossen und veröffentlicht, als sich der mediale Shitstorm gegen die Polizei richtete; Falls er tatsächlich genau dann in den Ferien war, hat er scheinbar auch seine Ferienabwesenheitsmeldungen ausgeschaltet (denn keine sind gekommen), damit wohl die Öffentlichkeit nicht mitkriegt, dass er gar nicht anwesend ist… Peter Sticher wurde eine Berichtigung angeboten und gefragt, was “Capo” bedeuten könnte (und ob damit Mafiaboss gemeint ist), woraufhin die Antwort kam, dass, sollte man ihn und/oder seinen Sohn veröffentlichen, er rechtliche Schritte einleiten wird. Zwar ist Peter Sticher nicht wirklich entscheidungsberechtigt für seinen Sohn und kann nicht in seinem Namen agieren, aber um Probleme mit einem der mächtigsten Männer Schaffhausens zu vermeiden (zumal nicht abschliessend geklärt werden konnte, ob “Capo” nur sinnbildlich gemeint ist), wurde sein Sohn zensiert. Peter Sticher selbst ist vom Kantonsrat (Volksvertreter) gewählt und somit Teil der Öffentlichkeit.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert