Coming soon: Schaffhauser Kommentar

Nicht mehr lang und die Schweizer Rechtsliteratur ist um ein prachtvolles Werk reicher.
Basler Kommentare und Zürcher Kommentare waren gestern: Peter Sticher, Martin Bürgisser, Johannes Brunner, Andreas Zuber, Dr. Susanne Bollinger, Dr. Stefan Bilger und natürlich allen voran Steven Winter, der am meisten zum neuen Recht in der Schweiz beigetragen hat, um nur einige der kleinen und elitären Gruppe zu nennen, sind für Höheres bestimmt. Da wir wissen, dass einige sicherlich darauf warten wie ein Kind auf Heiligabend, hier schon einmal eine Leseprobe:

[…] so ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass in der Hausordnung für das kantonale Gefängnis Schaffhausen vom 16. November 2007 (RB 341.202) weder Wasser noch Nahrung explizit aufgeführt werden. Die verschiedenen Anlässe, zu denen Mahlzeiten in der Zivilgesellschaft eingenommen werden (Mittagessen, Abendessen etc.) sind zwar genannt, aber vielmehr so zu interpretieren, dass es sich dabei um einen Zeitpunkt innerhalb der Tagesstruktur handelt (vgl. den Titel “Tagesordnung” von § 8, Hausordnung für das kantonale Gefängnis vom 16. November 2007 (RB 341.202)), aber nicht zwangsläufig eine tatsächliche Nahrungsaufnahme stattfinden muss.
Insofern man Nahrung auch als Gebrauchsgegenstand definieren kann, von dem ein gewisses Risikopotenzial ausgeht (vgl. Lebensmittelallergie, Ersticken, v.a. nach längerer Abstinenz), ist deren Entzug nach § 34 der Hausordnung für das kantonale Gefängnis vom 16. November 2007 (RB 341.202) nicht zu beanstanden, zumal der Insasse sich unmittelbar vor seinem Ableben in einem emotionalen Ausnahmezustand zu befinden schien, was Letzteres noch begünstigt hätte.
An dieser Stelle ist anzumerken, dass der Insasse zudem ein bis zwei Mal pro Woche unaufgefordert etwa 100 Gramm an Nahrung und einmal pro Tag etwa 200 Milliliter Wasser erhielt.
In Anbetracht dessen, dass weder Nahrung noch Wasser in der Hausordnung vorgesehen sind, ist den Mitarbeitenden des KGS (kantonales Gefängnis Schaffhausen) also auch hier keinesfalls ein sonderlich fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen.
Dem Insassen hätte es zudem freigestanden, via Gegensprechanlage nach weiterer Nahrung und Wasser zu fragen. Soweit seine Familie geltend macht, er habe immer wieder behauptet, man habe seine Bitten ignoriert, kann dem nicht gefolgt werden: Es existieren keine Notrufe aus seiner Zelle. Die Angaben seiner Familie, wonach man ihn in den Kameraaufnahmen in die Gegensprechanlage hineinrufen sieht, worin man erkennen könne, dass er durchaus um Hilfe gerufen habe, sind offensichtlich falsch: Der Leiter des KGS bestätigte in einer E-Mail, dass die Tonaufnahmen der Gegensprechanlage vollständig sind, es gibt somit keine Hinweise darauf, dass dem nicht so sein könnte. Dass er – wie zu betonen die Familie des Insassen nicht müde wird – die übrigen Tonaufnahmen erst nach einem Jahr und drei Nachfragen herausgegeben hat, ist vermutlich nur einer prozessbedingten Überlastung geschuldet, jedenfalls vermögen die Angehörigen des Insassen daraus nichts für sich abzuleiten (vgl. Steven Winter in Beweisergänzungsentscheid vom 26. September 2023). Sie werden jedoch von weiteren Akteneinsichten ausgeschlossen, um eine potenzielle Diffamierung der Mitarbeitenden des KGS zu verhindern, machen sie jenen doch schwerwiegende Vorwürfe und könnten Aussenstehenden von ihren offensichtlich falschen Befürchtungen berichten. (vgl. Steven Winter in Verfügung vom 12. Mai 2023.)
Dies könnten sie zwar auch ohne Zugang zu den Akten, jedoch besteht die berechtigte Befürchtung, dass sie die Aufnahmen der Überwachungskamera nutzen würden, um ihre falschen Behauptungen zu stützen, dies gilt es zu verhindern. Die Einschränkung des rechtlichen Gehörs wiegt demgegenüber nicht besonders schwer, wurde ihnen doch bereits einmal eine halbe Stunde gewährt, um die zehnstündige Aufnahme einzusehen und können sie der Staatsanwaltschaft schliesslich bzgl. des Inhalts vertrauen. (vgl. Bollinger, Hermann, Dubach in 51/2023/30, E. 4)

Hinsichtlich dem erhobenen Vorwurf, dem Insassen sei ärztliche Hilfe verweigert worden, fehlt es klarerweise an einer durch amtliche Machtausübung geschaffenen Zwangssituation. Ebenfalls keine Strafbarkeit ergibt sich aus dem Umstand, dass ein bestehender Grundrechtseingriff nicht aufgehoben worden wäre. Bei der nicht aufgebotenen ärztlichen Hilfe geht es nicht um die Aufhebung eines Grundrechtseingriffs, wie beispielsweise der Entlassung eines Inhaftierten aus der Untersuchungshaft, womit bereits aus diesem Grund eine Strafbarkeit entfällt.
Eine Garantenstellung für die Mitarbeitenden des KGS ergibt sich jedoch aus § 49 der Justizvollzugsverordnung (JVV) vom 19. Dezember 2006 (RB 341.101). Nach dieser Bestimmung sorgt die Gefängnisverwaltung für die körperliche und geistige Gesundheit der eingewiesenen Personen. Zur Vermeidung von gesundheitlichen Risiken können ärztliche oder psychiatrische Untersuchungen und Abklärungen veranlasst werden.
Hierzu ist festzuhalten, dass der Insasse lediglich über Hunger und Durst geklagt hatte, was klarerweise keinen medizinischen Notfall darstellt, welcher eine unmittelbare ärztliche Untersuchung erfordert hätte. Ein “gesundheitliches Risiko” gemäss § 49 Abs. I JVV lag klarerweise nicht vor. Ein sofortiges Handeln, respektive der sofortige Beizug eines Arztes wäre lediglich dann angezeigt gewesen, wenn eine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben bestanden hätte, respektive ernsthafte Verletzungen im Raum gestanden wären. Dass der Insasse kurz danach verstarb, vermag daran nichts zu ändern: Um einen Vorsatz zu begründen, hätte die Gefahr für Leib und Leben objektiv erkennbar gewesen sein müssen. Vorliegend taumelte der Insasse kurz und stürzte dann zu Boden, da dies jedoch ohne Dritteinwirkung geschah (vgl. Bollinger, Hermann, Dubach in 51/2023/9, E. 5.3) und eine Ohnmacht grundsätzlich erst ab einer Dauer von einer Stunde einen medizinischen Notfall darstellt (vgl. Schaffhauser Praxis), musste das Personal des KGS nicht aktiv werden. Zwar stand er auch nach einer Stunde nicht mehr auf, zu diesem Zeitpunkt war sein Körper allerdings bereits kalt und die Leichenstarre hatte eingesetzt, ein Beizug eines Arztes war daher offensichtlich nicht erforderlich. Kurz nach Ende der Mittagspause wurde denn auch ordnungsgemäss ein Bestattungsunternehmen aufgeboten.
Zusammenfassend ist ein strafbares Verhalten nicht ersichtlich und das Strafverfahren einzustellen. Die Kosten sind ausgangsgemäss dem Schaffhauser Steuerzahler aufzutragen. (vgl. Steven Winter in Einstellungsverfügung UT.2022.127)

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