Bundesgericht: Verletzung der EMRK durch das Obergericht Schaffhausen

Nachdem die Staatsanwaltschaft kürzlich vor dem Bundesgericht verloren hat, weil sie die Schaffhauser Praxis wieder einmal über Gesetz und Bundesrechtssprechung stellte, wird nun das Obergericht Schaffhausen durch das Bundesgericht im Urteil 6B_1424/2021 gerügt, weil es Art. 6 Ziff. 3 lit. d der EMRK verletzte.

Was war passiert? Ein Gefängnisinsasse hat angeblich u.a. Einrichtung des Gefängnisses zerstört und eine Fernmeldeanlage missbraucht (neben anderen Delikten): Das Kantonsgericht verurteilte ihn für all das zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu Fr. 30.– und einer Busse von Fr. 100.–, teilweise als Zusatzstrafe zum Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat vom 19. Februar 2018. Das Obergericht sprach ihn daraufhin von einigen Vorwürfen frei, verurteilte ihn aber zur exakt gleichen Strafe.
Vor dem Bundesgericht angelangt rügte er, das Obergericht habe zu Unrecht seinen Antrag um eine Einvernahme des Gefängnismitarbeiters, der alle Schäden dokumentiert hatte, abgewiesen, da sein Konfrontationsrecht damit verletzt wurde. Das Obergericht begründete diese Abweisung gewohnt rechtsstaatlich: Der Gefängnismitarbeiter habe die Sachbeschädigung nur dokumentiert und dass er lügen würde, sei abwegig, diese Befürchtung sei der Persönlichkeitsanomalie des Beschwerdeführers zuzuschreiben (auch Hanspeter weiss: Es gibt kaum etwas Abwegigeres als dass irgendwer im Gefängnis Schaffhausen nicht korrekt agieren würde *hust*). Das Bundesgericht folgte dieser Argumentation nicht und stellte eine Vereltzung von Art. 6 Ziff. 3 lit. d fest.

Auch in einem weiteren Punkt stellt das Bundesgericht eine Rechtsverletzung fest: Das Obergericht hat nämlich sein Standardrepertoir ausgepackt und dem Entscheid – wie auch bei Hanspeter schon – einfach neue Punkte, zu denen sich der Beschwerdeführer nie äussern konnte, zugrundgelegt. In diesem Fall verletzte es durch diese Ergänzung des angeklagten Sachverhalts den Anklagegrundsatz und der neue, vom Obergericht erstellte Sachverhalt, erfüllte den Tatbestand des Missbrauchs einer Fernmeldeanlage nicht mehr.

Beide Verfahrensnummern des Obergerichts (50/2021/4 und 50/2021/14), auf die sich das Bundesgericht bezog, sind in der öffentlichen Entscheidsammlung des Obergerichts nicht enthalten.

Es scheint, als hätte Schaffhausen eine kleine Pechsträhne vor dem Bundesgericht, allerdings lässt sich auch ein sich abzeichnendes Muster erkennen, das vielmehr ein systematisches Problem vermuten lässt: In beiden gerügten Entscheiden wurde Fehlverhalten der Polizei oder des Gefängnisses beklagt oder vermutet, in 7B_54/2023 ging es um eine falsche Versiegelungspraxis der Polizei, die durch die Staatsanwaltschaft auf Gedeih und Verderb verteidigt wurde. In diesem Entscheid zugrundeliegenden Verfahren wurde einem Gefängnismitarbeiter vorgeworfen, er würde dem Beschuldigten zu Unrecht etwas anlasten und wieder springt die gesamte Schaffhauser Justiz für diesen in die Bresche und vergisst dabei offensichtlich das Gesetz, es wird nicht einmal davor zurückgeschreckt, Parteien Wahnvorstellungen anzudichten (“Ausführungen, dass Gefängnismitarbeiter nicht die Wahrheit sagen soll, sind vermutlich der Persönlichkeitsanomalie des Beschwerdeführers geschuldet.”, wenn sie es wagen, die Integrität von Behördenmitgliedern in Frage zu stellen.
Der Übereifer dabei, unterstehende Behörden vor der etwaigen Entdeckung von Fehlern zu schützen, macht sich dann vor dem Bundesgericht bemerkbar, wenn die nur in Schaffhausen haltbare Argumentation in sich zusammenfällt.


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